Zurück auf Los – Neue Wege für Medizin und Pflege
Weit im Süden von Europa wurde in der Zeit vom 22. bis 29. Januar 2022 eine der außergewöhnlichsten Fortbildungsveranstaltungen in Medizin und Pflege zum fünfzehnten Mal durchgeführt. Die diesjährige Winterakademie auf Gran Canaria wartete mit einem breit gefächerten Programm auf, das den Gästen einen optimistischen Blick in die Zukunft der Versorgungslandschaft Deutschlands bescherte.
Sie alle, die Sie hier auf Gran Canaria sind, sind sozusagen Jubiläumsgäste“, begrüßte Prof. Dr. Volker Großkopf, der Initiator der jährlich stattfindenden Winterakademie von PWG-Seminaren und G&S‑Verlag, die rund 70 Gäste, die sich zur abendlichen „blauen Stunde“ im Restaurant-Pavillon des Hotels Corallium Dunamar in Playa del Inglés, mit Blick auf den Atlantik und die berühmten Dünen von Maspalomas, versammelt hatten.
Denn das 2008 begonnene, einwöchige Veranstaltungsformat geht in seine nunmehr 15. Auflage. Zugleich verzeichneten Prof. Dr. Großkopf und Michael Schanz, Chefredakteur der „Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen“, eine Rekordkulisse zur Weiterbildung: Erstmals konnten bei der Winterakademie 2022 auch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte Rezertifizierungspunkte für ihre Teilnahme erwerben. Außerdem hatte mit dem „1. FIP-Kongress“ eine der Winterakademie vorgelagerte, speziell für Wundversorger zertifizierte Fortbildung vor Ort stattgefunden.
Hau( p )tsache gesund
Die Dermatologin Dr. Anya Miller lenkte in ihrem Eröffnungsreferat das Augenmerk der Teilnehmer auf die Erkennung und Behandlung von Hautkrankheiten und ödematösen Veränderungen des Körpergewebes. In ihrem Vortrag ging sie auf den Aufbau der Haut mit den verschiedenen Schichten ein, sowie die Rezeption von Kälte und Wärme durch Regulatoren in der Haut – und brachte näher, wie man die Hautirritationen Fleck, Papel, Quaddel, Blase, Pustel, Schuppe, Ausschlag und Ödem unterscheidet sowie medizinisch voneinander abgrenzt.
Eine große Rolle nahm zudem das Thema Hautkrebsprävention ein. „Bereits 10 Solariumsbesuche im Leben erhöhen die Hautkrebsgefahr signifikant“, warnte sie eindringlich. Sie warb für ein einmal jährliches Hautkrebs-Screening beim Dermatologen, sowie zur Vorsicht beim Tätowieren – die Hauteinfärbungen erschwerten die Diagnose insbesondere bei den besonders bösartigen Melanomen. „In Berlin sind knapp 20 Prozent der Unter-21-Jährigen tätowiert. Diese Stellen machen eine Hautkrebsuntersuchung äußerst schwierig, sie fallen dafür im Grunde genommen aus. ‚Think before you ink‘, ist die Devise“, so Miller.
Hoffnungsträger „Quartier“
Wie können die sozialen, pflegerischen und medizinischen Strukturen nachhaltig weiterentwickelt und demografiefest gestaltet werden? Torsten Anstädt, der Mitgründer und Geschäftsführer des humaQ-Instituts erteilte den Teilnehmern der diesjährigen Winterakademie hoffnungsstiftende Informationen.
Anstädt führte die Zuhörerinnen und ‑hörer am 3. Tag der Winterakademie in die Wunderwelt von Künstlicher Intelligenz und dem begeisternden Konzept des Pflege-Quartiersmanagements ein. Letzteres demonstrierte er am Beispiel der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden: Pflegedienste, aber auch Handel und Dienstleister, Sozialraum-Management und weitere Partner schließen sich auf genossenschaftlicher Basis in Quartieren zusammen; die Pflegedienste konzentrieren sich auf diese „Wabe“, anstatt – wie häufig bisher – Kundschaft im ganzen Stadtgebiet zu haben. „Das Quartier ist dabei nicht der Stadtteil, sondern der Sozialraum, der Kiez, in dem du lebst“, erläuterte Anstädt. Er ist überzeugt, dass die Quartiere ein fester Bestandteil der zukünftigen Versorgung sein werden – in medizinischer, pflegerischer und sozialer Hinsicht.
Der Kreislauf des Blutes
Rund um Venenleiden wie Krampfadern und Thrombose, und deren bestmögliche Versorgung, drehte es sich beim Vortrag „Die Vene – Spiegel unseres Lebenswandels“ von Dr. Erika Mendoza, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Generalsekretärin der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (DGP), die seit 1997 eine Venenpraxis in Wunstorf bei Hannover betreibt. Sie legte den Unterschied zwischen verschiedenen Venenleiden dar.
Bei Verdachtsfällen auf Thrombose sei nach einem Vier-Schritte-Vorgehen zu verfahren – mit der Kompressionsbandage der Wade, Antikoagulation in therapeutischer Dosis und dem Einleiten der Diagnosesicherung als ersten akuten Schritt, gefolgt von einer genauen diagnostischen Abklärung, der mehrmonatigen Behandlungsphase und schließlich der lebenslangen Rezidiv-Prävention. „Übrigens hatte ich allein in meiner Praxis 38 Thrombosefälle nach einer Corona-Impfung“, so Mendoza. „Allerdings verursache natürlich auch Corona an sich Thrombosen.“
Demenz ergründen
Kann man sich dem Thema Demenz durch Selbsterfahrung nähern? Judith Ebels Antwort am Abschlusstag der Winterakademie lautete: Jawohl, das geht! Die Pflegeexpertin aus Meerbusch gestaltete mit den Teilnehmern ein Planspiel, in dem die Anwesenden in die Rolle von Demenzpatienten rückten. „Wir müssen versuchen, das Denken, Fühlen und Erleben des Menschen mit Demenz zu ergründen. Wie erlebt er sich selbst, andere und die Welt; was sind die Gründe und die Funktion des jeweiligen Verhaltens, was wird kompensiert, welche inneren Antriebe erklären es?“ Unter ihrer Anleitung gelang es den Teilnehmern sich per Bild in die Rolle von dementen Senioren zu versetzen. Eine Erfahrung, die viele der Anwesenden nachhaltig beeindruckte.
Ein medizinisches Highlight gab es zum Schluss: Der Osteopath Dr. Christian Mau gab praktische Demonstrationen seiner Heilkunst per Hand – Initiator Prof. Dr. Volker Großkopf und weitere Interessierte konnten sich von ihm mittels eines manuellen Behandlungskonzeptes, dem sogenannte Neurologischen Integrationssystem (NIS), ihre Verspannungen und Blockaden lösen lassen.